Miranda Lux: Denken heißt zweifeln oder warum jede Geschichte zwei Seiten hat by Oliver Schlick

Miranda Lux: Denken heißt zweifeln oder warum jede Geschichte zwei Seiten hat by Oliver Schlick

Autor:Oliver Schlick [Schlick, Oliver]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
Herausgeber: Ueberreuter
veröffentlicht: 2016-08-15T00:00:00+00:00


7

Fidelio ist alles andere als erfreut, als ich morgens um neun mit meinem defekten Psychophon in seinem Labor auftauche.

»Miranda!«, schnaubt er wütend.

Wenn Fidelio einen Satz mit Miranda beginnt, empfiehlt es sich, in Deckung zu gehen.

»Wie oft hab ich es euch schon gepredigt: Psychophon-Kontakt während der Schlafzeiten nur im allerhöchsten Notfall!« Fidelio macht ein Gesicht wie ein gereizter Büffel. »Aber das scheint ja keinen zu interessieren. Fidelio wird’s schon wieder richten. Zum letzten Mal: Bei einem Kurzschluss wird das Charakterprofil deines Psychophons völlig unscharf. – Gib schon her!« Er nimmt die grün schimmernde Scheibe und bestreicht sie mit einer Masse, die wie unappetitlicher grauer Wackelpudding aussieht. Fidelios selbst produzierter, ektoplasmatischer Persönlichkeitskleber. »Hier. Muss ein paar Stunden trocknen.« Er gibt mir das Psychophon zurück und blickt mich missmutig an.

In diesem Moment betritt Elektra das Labor. Sie hält einen Transkommunikator, den sie sanft auf dem Tisch abstellt.

»Was hast du jetzt schon wieder mit dem Ding gemacht?« Fidelios Glatze ist knallrot. Er sieht aus, als könnte ihm jeden Moment Dampf aus den Ohren steigen.

»Nichts«, sagt Elektra in unschuldigem Tonfall.

»Fräulein!«, schnarrt Fidelio drohend. »Wen hast du kontaktiert?«

»Niemand.«

Nichts und Niemand stehen ganz oben in der Top-Ten der Antworten, die Eltern weltweit in Verzweiflung stürzen. Fidelio lässt sich auf einen Hocker fallen. Wenn er noch Haare hätte, würde er sie sich jetzt wahrscheinlich raufen. »Wer um alles in der Welt hat so was wie die Pubertät erfunden?«, seufzt er, dann erhebt er sich, hinkt in die Küche und holt sich einen Kaffee. Fidelios Kaffee ist mit genauso großer Vorsicht zu genießen wie sein Kartoffelpüree. »Was ist bei eurem Treffen mit Wunderlich rumgekommen?«, brummt er und nimmt einen Schluck von dem muffig riechenden Gebräu.

Ich berichte, was wir von Weirdo erfahren haben. Als ich von unseren Verfolgern im Geländewagen und dem Auftauchen der grünen Lichter erzähle, blickt mich Elektra ungläubig an.

»Ich habe noch nie gehört, dass die Lichter eingeschritten sind, dass sie Partei ergriffen haben … Irgendetwas muss geschehen sein, das sie dazu veranlasst. Ich frage mich nur, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.« Sie verfällt in ein nachdenkliches Schweigen, bevor sie mit leiser Stimme sagt: »Wir müssen herausfinden, wer die Frau ist. Sie ist der Schlüssel zu allem!«

»Der einzige Ansatzpunkt, den wir noch haben, ist Hendrik Nachtweih. Was konntest du über ihn herausfinden?«, frage ich.

Elektra lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. »Nachtweih wurde 1953 geboren. Eine glänzende Karriere als Astrophysiker. Internationale Anerkennung. Unzählige Veröffentlichungen. Galt bei mehreren Gelegenheiten als aussichtsreicher Nobelpreis-Kandidat, hat ihn aber nie erhalten.« Sie streicht sich die Haare aus der Stirn. »Gestorben ist er an einem Medikamentenmix aus Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Keine Anzeichen von Gewalt oder Fremdeinwirkung. Die Behörden gehen von einem Selbstmord aus. Nachtweihs Lebenspartner hat der Polizei berichtet, sein Freund habe depressive Schübe gehabt. Dieser Lebenspartner ist fünfundzwanzig Jahre jünger als Nachtweih und – Achtung, jetzt kommt’s – ein echter B-Promi. David Vermeer!«

»Muss ich den kennen?«

»Du kennst ihn! Er war in den ersten Staffeln von »Marionetten der Liebe« dabei. Als Steffen, der spielsüchtige Tanzlehrer. Dann ist er ausgestiegen, um seine Karriere als ernsthafter Schauspieler voranzutreiben.



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